Woher sollten früher die vielen Kondensstreifen kommen?
Bis zur Öffnung der östlichen Länder war Fliegen etwas Besonderes, waren die Flugpreise sehr hoch. Man konnte nicht mal einfach so einen Abstecher nach Mallorca machen, vor allem die Leute aus den östlichen Ländern nicht. Mit der Wende fielen die Grenzen und Millionen Menschen mehr konnten und wollten auf einmal reisen. Die Fluggesellschaften haben sich dem natürlich angepasst und ihre Angebote massiv erhöht. Innerhalb weniger Jahre vervielfachte sich die Anzahl der Flugbewegungen. Das betraf aber nicht nur die Reisen, auch Fracht wurde immer mehr per Flugzeug befördert. Die Firmen sparten Kosten in der Lagerhaltung und ließen sich bestimmte Produkte bei Bedarf einfliegen. Beispiele dazu findet man immer wieder in allen möglichen Medien.
Die Zunahme des Flugverkehrs und anderer Entwicklungen blieben natürlich nicht unbemerkt. In der Nähe von Flughäfen konnte man feststellen, dass die Anzahl der Starts und Landungen zunahm. Und zwischen Start und Landung müssen die Flugzeuge auch irgendwo sein - natürlich am Himmel, an dem man von denen bei entsprechenden Wetterlagen die mehr oder weniger langen Kondensstreifen sieht.
Unsere Generationen haben den Wandel in der Folge der Wende direkt mitbekommen. Und jeder, der in den Urlaub fliegt und jeder, der Produkte mit eingeflogenen Bestandteilen kauft, hat eine kleine Schuld daran, dass wir heute so viele Kondensstreifen sehen. Im Winter mal einen bestimmten Strauß Blumen kaufen? Vielleicht stammt der ja aus Südafrika und wurde eingeflogen. Mal zu einem Vortrag nach Oslo fliegen? Auch der Flieger wird sicher irgendwo einen Streifen hinterlassen. In den Urlaub nach Frankreich fliegen? Auch da …
Eine Frage an die Chemtrail-Gläubigen: Warum sah man früher weniger Autos auf den Straßen?
Sehen Sie sich auf Beispiele aus der Vergangenheit unten ein Video mit der Visualisierung des Flugverkehrs über Europa an, um eine Vorstellung vom Aufkommen zu erhalten.
Besonders deutlich machte sich die quantitative Entwicklung in der Luftfahrt bei den Airways bemerkbar, weil diese erweitert werden mussten. Aus ursprünglich einigen wenigen Flugkorridoren wurden nun viele, die auch noch dazu dicht beflogen wurden. Gerade in Ostdeutschland zeigte sich dies, wo es bisher gerade mal drei internationale Luftstraßen gab.
Selbst die vertikale Staffelung, also der vertikale Abstand zweier Flugzeuge, wurde verringert, um mehr Flugzeuge in der Höhe unterzubringen: RVSM.
Eine Folge daraus war, dass nun auch in Regionen Kondensstreifen zu sehen waren, in denen es vorher seltener welche gab - vor allem in Regionen von Ostdeutschland. Im Zusammenhang damit spielt auch eine Rolle, dass Kondensstreifen sehr oft weit mit dem Wind verfrachtet werden. So also auch über Regionen, in denen gar nicht mal geflogen werden muss. Dazu kommt dann noch die Sache mit der Perspektive: Kondensstreifen sind auch noch in sehr weiter Entfernung zu sehen. Dabei wirkt sogar noch der Kulisseneffekt.
Im der Grafik ist zu sehen, wie stark sich die Airways über Ostdeutschland entwickelt haben.
Was nicht nur die Chemtrail-Gläubigen betrifft:
Oft werden bei der Anzahl der Kondensstreifen auch falsche Schlüsse gezogen, indem der Luftverkehr eines Landes damit in Zusammenhang gebracht wird. So möchte man u. a. in der Schweiz und in Deutschland die Flüge reduzieren - auch mit der Hoffnung verbunden, dass es dann weniger Kondensstreifen geben würde. Aber das ist viel zu kurz gedacht, weil die meisten der Kondensstreifen von Überfliegern stammen, deren Anzahl auch stark zugenommen hat. So führen viele Flüge von/nach Asien, den USA oder auch in Europa stark frequentierten Flughäfen wie London oder Paris über uns hinweg. Gerade auf diesen Strecken sind die großen Flugzeuge unterwegs - die, die bei sonst gleichen Bedingungen die stärksten Kondensstreifen hinterlassen. Das Reduzieren des Flugverkehrs deutscher Flughäfen oder deutscher Airlines würde sich dabei so gut wie gar nicht bemerkbar machen.
Besondere Ahnungslosigkeit zeigte dazu zum Beispiel „umverkehR“, ein Verein in der Schweiz: Blauer Himmel dank Corona?
Zur quantitativen Entwicklung kamen jedoch auch qualitative Veränderungen.
Lange Zeit waren überwiegend Propellerflugzeuge unterwegs, die in unseren Regionen recht selten mal Streifen hinterließen. Jets gibt es zwar seit den Vierzigern, aber sie waren im Vergleich dazu doch recht selten. Und vor allem waren die Jets damals recht klein, so dass sie wegen der relativ geringen Leistung auch nur wenig Feuchtigkeit in die Umgebung einbrachten. In den Sechzigern war es eigentlich nur die vierstrahlige Boeing 707, die im Linienverkehr dickere Streifen hinterließ. Erst in den Siebzigern begann die eigentliche Verbreitung stärkerer Flugzeuge mit dem Jumbojet Boeing 747, aber auch mit Flugzeugen von Douglas und Iljuschin. Die Vierstrahler von Airbus kamen gar erst am Anfang der Neunziger mit der A340 hinzu. Mit dieser Zunahme der Anzahl an Jets im Allgemeinen sowie der Zunahme leistungsstärkerer Jets mit mehr Ausstoß im Besonderen war nun auf den Strecken am Himmel auch immer mehr Feuchtigkeit enthalten. Und da Airbus mit seiner A380 zeitweise großen Erfolg hatte und auch der Jumbo Boeing 747-8 Verbreitung findet, wird das auch eher nicht abnehmen. Selbst die erfolgreiche Boeing 777 als Jet mit nur zwei Triebwerken hat eine enorme Leistung, wodurch nicht gerade wenig Feuchtigkeit ausgestoßen wird.
Diese nun immer mehr werdenden Jets flogen auch in größeren Höhen, als dies bei den Propellerflugzeugen der Fall war. Höher - das bedeutet kälter, schnellere Sättigung; letzten Endes also auch wieder mehr Kondensstreifen.
Selbst die Entwicklung der Jets wirkte sich auf die Kondensstreifen aus. Aus verschiedenen Gründen wurde immer mehr der Nebenstrom des Manteltriebwerks genutzt und dazu wurde die Verbrennung im Triebwerk auch optimiert und damit sauberer. Aus den Triebwerken kam also immer weniger Dreck, dafür aber mehr Feuchtigkeit. Feuchtigkeit, die den Kondensstreifen zur Verfügung stand. Voraussetzung für die Kondensation bleiben natürlich trotzdem noch die Aerosole, primär ausgestoßene Rußpartikel; diese Ursache darf dabei nicht ausgeblendet werden.
Wer die Fliegerei schon länger verfolgt, kann diese Entwicklung sogar sehen. Früher konnte man bei den Flugzeugen immer wieder dunkle Abgasfahnen beobachten - Schadstoffe. Eine Boeing 707 oder eine TU-154 hat man schon von weitem erkannt, eben aufgrund der dunklen Streifen. Das ist heute bei aktuellen Flugzeugen nicht mehr der Fall, dafür sieht man eben in der Höhe mehr von der Feuchtigkeit.
Eine weitere Besonderheit gibt es beim Aussehen der Kondensstreifen: Je größer und damit schwerer die Flugzeuge wurden, desto stärker wurden auch die Wirbelschleppen hinter den Flugzeugen. In diese Wirbelschleppen gerät ein Teil des Ausstoßes; außerdem kann es in ihnen schon allein durch den niedrigeren Druck Kondensation geben (siehe auch Warum haben Kondensstreifen manchmal Beulen oder komische Formen?). Wirbelschleppen sinken aber stark ab und nehmen dabei die Feuchtigkeit mit. Bei begünstigendem Wetter gibt es also einen dadurch verbreiterten Streifen vom oberen Bereich, dem reinen Ausstoß, bis zum unteren absinkenden Bereich, den Wirbelschleppen. Die Kondensstreifen können so also flächiger aussehen.
Bisher wurde aufgezeigt, warum es heute mehr Kondensstreifen als früher gibt und warum diese auch etwas anders aussehen können. Es gibt jedoch einen Aspekt, der die Folge daraus ist.
Natürlich ist klar, dass auch die Kondensstreifen Wolken sind - Wolken, die durch den Menschen verursacht worden sind. Und auch diese Wolken tragen zur Bedeckung bei. Denn das, was wir oft als Kondensstreifen wahrnehmen, ist eigentlich gar nicht mehr nur der Ausstoß des Flugzeugs, sondern die bereits in der Umgebung enthaltene Feuchtigkeit lagert sich dort an und es entstehen so hohe Wolken, die oft ein Vielfaches der Fläche des eigentlichen Kondensstreifens haben. Kondensstreifen können so dazu beitragen, dass sich die hohe Bewölkung verstärkt; dass sich also aus Feuchtigkeit Wolken bilden, wo sonst keine wären. Auch das spielt natürlich eine Rolle beim Eindruck, dass es heute mehr wäre.
Wie viel, dazu gibt es trotz intensiver Forschung - u. a. durch das DLR - unterschiedliche Angaben. Man ist hier noch nicht abschließend einer Meinung, welchen Einfluss das auf Klima und Umwelt hat. Der aktuelle Kenntnisstand besteht darin, dass die Bilanz zugunsten einer Erwärmung ausschlägt - das heißt, dass die Kondensstreifen wegen ihrer Begünstigung der Bedeckung die Wärmeabstrahlung behindern und somit zu einer Erwärmung des Klimas beitragen. Dies ist also genau das Gegenteil von dem, was man erreichen möchte, auch durch ein eventuell zukünftiges Solar Radiation Management im Rahmen des Geo-Engineerings.
Insofern ist man natürlich daran interessiert, die hohe Bewölkung zu reduzieren und dabei auch die mitverursachenden Kondensstreifen, die auch gleichzeitig Teil dieser Bewölkung sind. Das DLR forscht sehr intensiv zu diesem Thema (Beispiel: Wie Kondensstreifen das Klima beeinflussen). Lösungen sind jedoch nicht so einfach, denn Flüge durch trockenere Regionen würden Umwege bedeuten - Umwege, durch die wiederum mehr CO₂ und mehr Schadstoffe erzeugt würden. Dies wiederum wäre auch nicht das Gewollte.
Auch beim Geoengineering gibt es Gedanken zu einer Methode, hohe Bewölkung zu reduzieren: Cirrus cloud thinning. Spätestens an dieser Stelle muss man den Chemtrail-Gläubigen die Frage stellen: Wieso erzeugt man mit Geoengineering angeblich Streifen und damit Wolken, wenn man die dann mit Geoengineering beseitigen möchte?
Nicht zu vergessen: Flugzeuge stoßen - wie auch andere Verkehrsmittel - Schadstoffe aus, das dazu noch in einer recht sensiblen Umgebung. Insgesamt dürfte das durch die große Anzahl der Flüge nicht wenig sein, allerdings wird hierbei auch oft übertrieben. Da Kerosin einer der teuersten Faktoren für die Airlines ist, sind diese natürlich schon deshalb daran interessiert, dass möglichst wenig verbraucht und damit auch wenig ausgestoßen wird. Daran arbeitet man und so sind viele Flugzeuge vom Ausstoß her sauberer als zum Beispiel PKW - was man sieht, ist eben die Feuchtigkeit. Hier ist ein Bericht dazu: airberlin präsentiert ersten Nachhaltigkeitsbericht.
So, nun gibt es zwar tatsächlich mehr Kondensstreifen und durch sie induzierte Bewölkung.
Aber abgesehen davon: Da es schon immer Wetter gibt, gibt es auch schon immer die Voraussetzungen für verschiedene Phänomene, wie den „verschmierten“ Himmel, Halos und in neuerer Zeit eben auch für die Kondensstreifen. Wir dürfen ja bei all dem nicht vergessen, dass Kondensstreifen nur entstehen, wenn das Wetter das zulässt. Denn wer den Himmel über längere Zeit beobachtet, wird feststellen, dass es auch oft Phasen gibt, in denen sich - trotz Fliegerei - gar keine Kondensstreifen bilden können.
Tatsächlich hat man (abgesehen natürlich von Kondensstreifen - mangels Flugzeugen) viele Phänomene bereits vor langer Zeit beobachtet, so dass sie bekannt sind. Zu diesen Zeiten gab es weder Flugzeuge noch HAARP - wie soll man das also in Verbindung bringen? 174 v. u. Z. wurden Sonnenringe mit „drei Sonnen“ beobachtet - wie ging das so ganz ohne Flugzeuge und HAARP? Schuberts Nebensonnen 1827, Goethes gegitterte Cirren 1820 - wie konnte das ohne Chemtrails passieren?
Übrigens: Neben den Halos gibt es auch die Wellenwolken schon immer, für die HAARP verantwortlich gemacht wird. Nur ist hier halt auch die Frage: Wie konnten diese früher ohne HAARP entstehen?
Diese Luftfeuchtigkeit in der Höhe, in denen sich schon immer u. a. diese Halos bilden konnten, sorgte mit dem Aufkommen der Fliegerei dafür, dass sich auch die zusätzliche Feuchte durch die Abgase nicht gleich auflösen konnte. Im Gegenteil, in den Abgasstreifen der Flugzeuge gibt es auch gleich noch die Kondensationskerne, die begünstigen, dass sich die Eispartikel und Tröpfchen bilden können. Und wenn früher eine ISSR völlig ungestört am blauen Himmel war, man also keinerlei Wolken sah, sorgen heute die vielen Flugzeuge dafür, dass daraus Wolken entstehen können.
Insofern gibt es auch schon immer Kondensstreifen (Beispiele: http://contrailscience.com/contrail-photos-through-history/), seit es Flugzeuge in den entsprechenden Höhen gibt - selbst im zweiten Weltkrieg konnte man Kondensstreifen beobachten. Und die Briefmarkensammler können sich mal die Ausgabe „20 Jahre DDR“ von 1969 ansehen, zum Beispiel die Mi.-Nr. 1504. Was findet man da wohl? Und was haben wir denn bei dem Video (Komm fang den Sonnenstrahl) von 1968 im Hintergrund? Doch nicht etwa verschmierten Himmel? Und wer auch früher schon ab und zu mal gen Himmel geguckt hat, hat auch früher schon den einen oder anderen Streifen gesehen.
Oft fordern die Chemtrail-Gläubigen auf, sich alte Fotos anzusehen, um festzustellen, dass es früher noch keine Kondensstreifen gab. Das ist eine billige Manipulationsmethode, weil hierbei ein paar Fakten ignoriert werden:
Zunächst muss man bedenken, dass früher jedes Foto Geld gekostet hat, teilweise richtig teuer war. Man brauchte einen Film; der Film musste entwickelt werden. Für all das musste man bezahlen. Dass man mittels Digitaltechnik beliebig viele Fotos machen kann, gab es damals eben noch nicht. Und so hat man sich schon überlegt, was man aufnahm. Aus diesem Grund gab es schon mal weniger Fotos als es heute der Fall ist.
Die Fotos waren dazu noch als Papier oder als Dias vorhanden. Die konnte man natürlich nicht gleich überall verbreiten, wie es die Chemtrail-Gläubigen mit ihrem Bilderspam heute veranstalten. Da diese erst digitalisiert (i. d. R. gescannt) werden mussten, wird man auch nicht alle Fotos im Internet finden.
Selbstverständlich hatten die Fotos früher auch nicht die Qualität von heute. Einen so großen Dynamikumfang, wie ihn heutige Kameras haben, konnte man meist nicht verwenden - lange Zeit war Schwarz-/Weiß-Fotografie sowieso am weitesten verbreitet. Und so hatte man zwar die eigentlichen Motive ordentlich dargestellt, während die Farbe am Himmel schlicht abgerissen, also überbelichtet, war. Der Himmel schien einfarbig zu sein.
Die Menschen, die damals schon unter Flugrouten wohnten, nahmen die Kondensstreifen auch als selbstverständlich hin; sie gehörten zum Fortschritt. Und warum sollte man - vor allem, weil Fotos Geld kosteten - Alltägliches fotografieren? Man konnte sie ja immer wieder sehen, wozu man keine Fotos brauchte.
Und natürlich gab es auch den Aspekt, dass es vielerorts noch gar keine Flugrouten gab. So konnte man dort selbstverständlich auch keine Streifen sehen.
Dass es jedoch auch früher schon Streifen gab, sieht man an den Websites, auf denen Wetterlagen bzw. Bewölkungen zu sehen sind, für die die Chemtrail-Gläubigen Chemtrails und HAARP verantwortlich machen: Beispiele aus der Vergangenheit
In 1970, Salvatore Pecoraro painted the sky 365 days day. Many days have contrails. http://t.co/TXJnVtSWxE pic.twitter.com/XPkm0Czp5w
— Mick West (@MickWest) 10. August 2013
Wir sehen also: Dass die Chemtrail-Gläubigen bestimmte Phänomene am Himmel als neu bezeichnen, ist einfach nur die Folge dessen, dass man früher den Himmel nicht so bewusst beobachtet hat, wie es heute der Fall ist. Würde man sich nicht bei Youtube auf die einfachen Erklärungen der Verschwörungstheorien beschränken, sondern auch mal über den Tellerrand gucken und die Geschichte betrachten, wäre sofort klar, dass alles das bereits schon lange bekannt ist.