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Chemtrail.de: „Chemtrails - neuartige Beweise!“. Eine Spielerei.

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Im Youtube-Kanal „Sauberer Himmel“ von Werner Altnickel wurde ein Film veröffentlicht, mit dem der Beweis erbracht werden soll, dass diverse Streifen am Himmel keine Kondensstreifen sein können.

Die Macher des Films beobachteten dabei den Himmel, verglichen die Streifenbildung mit den Darstellungen auf Vertikalschnitten und stellten fest, ob auf dieser Grundlage im Sichtbereich Streifen entstehen dürfen. Die Kommentare zu diesem Video sind deaktiviert, so dass man gar nicht erst öffentlich mitteilen kann, was am Video gut oder schlecht ist; statt dessen gibt es den Hinweis:

Schicken Sie uns Ihre Erfahrungen / Ihre Korrespondenz mit öffentlichen Institutionen und Verbänden zum Thema Chemtrails unter reaktionen@chemtrail.de

„Sauberer Himmel“ musste darauf natürlich auch hinweisen:
Chemtrails versus Kondensstreifen: Was sagen die atmosphärischen Bedingungen?
Chemtrails – neuartige Beweise! – Aufforderung zur Stellungnahme

Was kann man nun davon halten?


Zunächst einmal muss man feststellen, dass diverse Institutionen (z. B. das DLR) schon seit Jahren recht intensive Kondensstreifenforschung betreiben und das Thema immer wieder Bestandteil von wissenschaftlichen Arbeiten und Publikationen ist. Dazu werden auch Flüge in die Höhe der Streifen durchgeführt, weil die Bedingungen in der Atmosphäre sehr komplex sind. Obwohl die Vorgänge bei den Streifen recht gut bekannt sind, ist man bei der Forschung jedoch noch lange nicht am Ende angelangt - dazu gibt es noch viele zu erforschende Zusammenhänge.

Die Macher des Films hingegen beobachteten den Himmel über einen - im Vergleich - sehr kurzen Zeitraum vom Boden aus und nutzten dazu Material einer Computersimulation. Und nun kommen natürlich immer wieder Aufforderungen, dass das Video widerlegt werden soll. Allerdings kann man da eigentlich gar nichts widerlegen, denn es handelt sich bei dem Film um eine reine Spielerei. Warum?

Kondensstreifenforschung durch das DLR
Screenshot von DLR

Falsche Daten

Bei den Karten wurde eine Computersimulation verwendet, denn darum handelt es sich bei den Vertikalschnitten - es ist ein Modell von GFS. Das Modell wird dazu mit Daten „gefüttert“ und berechnet daraus Simulationen bzw. Vorhersagen. Ist auch nur eine Bedingung anders, verändert sich das gesamte Bild. Man kann anhand eines solchen Modells zwar grob vorhersagen, ob die Möglichkeit(!) besteht, dass sich lange Streifen bilden, mehr aber auch nicht. Würde man den Karten glauben können, bräuchten wir keine Meteorologen mehr. So aber ist es nicht; in der Praxis werden verschiedene Modelle und Modelläufe ausgewertet und dies wird mit bestimmten Besonderheiten in Zusammenhang gebracht. Nur dadurch kann man halbwegs brauchbare Vorhersagen erstellen, was mit einem einzigen Lauf eines einzigen Modells nicht annähernd möglich ist. Der Ansatz der Macher des Films, mit diesen Karten auf konkrete Verhältnisse in einem Bereich zu einem bestimmten Zeitpunkt zu schließen, ist - mit Verlaub gesagt - mehr als nur naiv. Nur mal zum Vergleich: Bei dieser Herangehensweise müssten im Vertikalschnitt auch die einzelnen Cumulus-Wolken zu sehen sein. Und sind sie es immer?


Lügen

Wie so oft wird auch in diesem Video durch die Chemtrail-Gläubigen etwas erzählt, das gar nicht stimmt. So heißt es in dem Video:

„Bei diesen Bedingungen verschwinden die Kondensstreifen bereits nach wenigen sekunden. Diese Daten haben wir sowohl aus dem aktuellen Wikipediaartikel über Kondensstreifen wie auch aus alten Meteorologiebüchern aus den 70er und 80er Jahren. Wenn heute stark abweichende Behauptungen aufgestellt werden, stellt sich die Frage, wie es dazu kommen kann, warum die Phsik sich in den letzten 30 Jahren so stark geändert hat. Unter extremen Bedingungen kann ein Kondensstreifen bis zu 20 Minuten bestehen bleiben. Das war Lehrmeinung bis mind. Ende der 80er Jahre. Die heutige Lehrmeinung weicht davon stark ab (mehrere Stunden)“

Bis mindestens Ende der 80er - aber sehen wir uns doch mal das Buch "A Colour Guide to Clouds" von Richard Scorer & Harry Wexler, Pergamon Press 1963, an. Dort lesen wir:

„Sometimes the air is sufficiently dry for the ice cloud to evaporate in ten minutes or so; but often it may last for several hours.“

Und in "Cloud of the worlds" von Richard Scorer, 1972, können wir lesen:

„Once glaciated the trails may last for many hours, and may be spread out by wind shear into almost horizontal sheets.“

Wo hat sich denn da eine Lehrmeinung geändert? Es wird also in dem Video schlicht gelogen.

Die Lehrmeinung hat sich nicht geändert.

Die Auflösung (horizontal/vertikal)

In dem Modell sind viele Kilometer zusammengefasst, man sieht Europa auf einer einzigen kleinen Karte. Regionale oder gar kleinräumige Besonderheiten werden überhaupt nicht beachtet. Wer schon mal geflogen und in Turbulenzen geraten ist, weiß, wie schnell sich Bedingungen ändern können; das fehlt bei der groben Auflösung des Modells komplett. Daten über den Zustand bzw. die Bewegung der Luft in Reisehöhe zu genau dem Zeitpunkt des Fluges wären weitaus realistischer. Die Sache mit der Luftfeuchtigkeit ist schon nicht schlecht, aber um eine Verifikation darauf aufzubauen, bräuchte man Messwerte, die zeitlich und entfernungsmäßig gleichmäßig verteilt sind. Was ist zum Beispiel mit einer Kaltluftblase? Was ist mit einer Luftverwirbelung? Was ist mit Konvektion? Was ist mit eisübersättigten Regionen? Das und noch viel mehr wird u. U. gar nicht berücksichtigt. Sprich: Unterschiede in einem größeren Kilometerbereich werden bei der Auflösung gar nicht beachtet. Oder sehen Sie die Hauptstraße eines Ortes auf einer Europakarte dargestellt? Zeigen Sie die Einfahrt zu Ihrem Grundstück auf einer Mini-Europakarte?

Sowas könnte man verwenden: Soundingtabelle. Aber das gibt es halt auch nur in großen Abständen (zeitlich und räumlich).


Absolute Luftfeuchtigkeit, Tau-/Eispunkt

Weiterhin darf die Basis nicht nur die Luftfeuchtigkeit sein. Es dürfte sich herumgesprochen haben, dass die Luft da oben kälter ist und weniger Feuchtigkeit aufnehmen kann. Passt zum Beispiel am Boden ein Eimer Wasser in ein bestimmtes Volumen, ist es oben vielleicht nur ein Bierglas.

Bleiben wir bei diesem Vergleich: Man nehme einen halb vollen Wassereimer und ein halb volles Bierglas. Beide haben nun eine Füllung von 50 %, vergleichbar mit 50 % relativer Luftfeuchte. Gießt man nun sowohl in den Wassereimer einen Liter Wasser, wie auch in das Bierglas - was passiert dann? Man sieht, dass das schon etwas komplexer ist als der Ausgangspunkt der Macher des Films. Bei 50 % Luftfeuchtigkeit am Boden passt noch gut was dazu, in der Höhe ist die Sättigung aber wesentlich schneller erreicht.

Die relative Feuchte allein muss also gar nichts bedeuten. Hat man eine relativ geringe Feuchte, aber eine Taupunkttemperatur (bzw. Eispunkttemperatur) um die Lufttemperatur herum, reicht schon ein kleines Flugzeug, um bei den Temperaturen da oben eine Übersättigung herbeizuführen.

Zum Vergleich nehmen wir mal 70 % relative Luftfeuchtigkeit:

Bei 30 °C hat die Luft dann eine absolute Luftfeuchtigkeit von 21,271 g/m³ und kann 9,116 g/m³ aufnehmen, um 100 % relative Luftfeuchtigkeit zu erreichen.
Bei -40 °C hat die Luft eine absolute Luftfeuchtigkeit von nur 0,119 g/m³ und kann auch nur 0,051 g/m³ aufnehmen, um 100 % relative Luftfeuchtigkeit zu erreichen.

Ein mittlerer Airliner bringt im Reiseflug ganz grob 800 g pro Sekunde aus. Wir sehen also, dass kalte Luft bei gleicher relativer Luftfeuchtigkeit wesentlich schneller gesättigt ist als warme Luft. Vergessen Sie also vorerst die relative Luftfeuchtigkeit und betrachten Sie die absolute Feuchtigkeit, denn diese ist die Grundlage für alle weiteren Betrachtungen. Wurden diese Zusammenhänge verstanden, kann auch mit der relativen Feuchte gearbeitet werden - aber erst dann.

Mehr dazu: Können Streifen bei 70 % Feuchtigkeit entstehen?

Abnahme der zur Sättigung erforderlichen Feuchtigkeit mit der Temperatur
Je geringer die Temperatur, desto weniger
Feuchtigkeit ist zum Erreichen der 100 % erforderlich.

Besonderheiten des Flugverkehrs

Dazu kommt, dass die Flugzeugtypen und -konfigurationen nicht beachtet wurden. Es gibt kleine Flugzeuge mit geringem Ausstoß und große Flugzeuge mit starkem Ausstoß. So kann man zum Beispiel eine Boeing 737-500 überhaupt nicht mit einer Boeing 747 vergleichen. Oder auch nur ein Flugzeug kann unterschiedlichen Ausstoß haben. So wird es mehr Feuchtigkeit produzieren, wenn es steigt und dafür umso weniger, wenn es den Sinkflug beginnt oder auf eine geringere Flughöhe absinkt. Wo sind die Angaben der Macher des Videos dazu? Wenigstens die Angabe des Flugzeugtyps wäre schon etwas hilfreich gewesen, aber die Angabe der Flüge wird ja bekanntermaßen durch die Chemtrail-Gläubigen strikt gemieden.

Weiterhin muss man ggf. auch bedenken, dass wir einen sehr starken Flugbetrieb haben und vorher schon Flugzeuge in der Region unterwegs gewesen sein könnten. Wenn dort zum Beispiel schon ein paar Boeing 747 oder A380, die es ja mittlerweile sehr oft gibt, geflogen sind, haben diese bereits für eine Zunahme der Luftfeuchtigkeit gesorgt. Auch das wird durch die Macher strikt ignoriert.


Kondensations-/Kristallisationskeime

Eiskristalle bilden sich umso besser, je mehr Partikel in der Luft enthalten sind. Die Flugzeuge stoßen zwar mit Ruß & Co. selbst welche aus, aber es gibt ja noch die Partikel, die auch so in der Luft enthalten sind. Ist die Luft sehr sauber, werden sich schwerer Streifen bilden als wenn Aerosole enthalten sind. Wir wissen zum Beispiel, dass auch 2012 wieder Saharastaub in großer Höhe nach Deutschland geweht worden ist, was auch gleichzeitig Kondensationskerne darstellt. Wo sind die Angaben der Macher darüber?


Orografische Besonderheiten

Die Bedingungen in der Höhe können auch durch das Gelände beeinflusst werden. So kann es zum Beispiel regional bestimmte Feuchteangebote geben, an Bergen gibt es Hebung, usw. Wo sind die Aussagen der Macher dazu?


Der Blickwinkel

Die Macher geben richtigerweise an, dass man am Himmel einen Ausschnitt sieht. Allerdings ist der wesentlich zu klein gefasst. Bei bestimmten Bedingungen sieht man in beide Richtungen auch gern mal 200 km - das ist also eine Breite von insgesamt 400 km! Im Bild rechts befindet sich ein Beispiel, bei dem man über 150 km weit sehen konnte - von Berlin aus war der Eisschirm einer Zelle zu beobachten, der sich auf einer Linie ca. Salzwedel - Ludwigslust befand, ich wiederhole: 150 km!

Und in diesen sichtbaren Bereichen können sich die Wetterbedingungen schon mal ändern. Die Chemtrail-Gläubigen machen hier wieder den Fehler: Etwas, was scheinbar fast über ihnen ist, kann sich gut und gern mal recht weit weg befinden. Bei den Entfernungen am Himmel kann man sich leicht verschätzen. Die Chemtrail-Gläubigen zeigen dies immer wieder.

Wie weit kann man am Himmel sehen?

Nur eine Höhe

Milchigen Himmel gibt es nicht nur in der geprüften Höhe und Kondensstreifen können durch Luftbewegungen auch absinken bzw. verfrachtet werden. Das wurde überhaupt nicht beachtet; es wurde nur die Reisehöhe genommen. Was ist zum Beispiel mit Altostratus, der auch für milchigen Himmel sorgt, aber wesentlich tiefer ist?


Magere Streifen

Die Macher des Films beobachteten die Streifen, als diese recht mager waren. Warum hat man nicht einen Zeitpunkt genommen, zu dem der Himmel voll mit den Streifen war, was ja so oft vorkommen soll? War da etwa im Vertikalschnitt eine hohe Luftfeuchtigkeit zu sehen?

Magere Streifen

Geschwindigkeitsscherung

Am Ende des Films wurden die Schwerewellen genannt, dabei wurde aber nur die Richtungsscherung beachtet. Es gibt allerdings auch eine Geschwindigkeitsscherung, die genauso oft anzutreffen ist. Und hier weht der Wind in verschiedenen Höhen möglicherweise sogar in die gleiche Richtung, aber eben mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Ein Fluss mit langsam fließendem Wasser wird schließlich auch Wellen haben, wenn der Wind in Fließrichtung über die Wasseroberfläche weht und nicht nur, wenn er quer zum Fluss weht.


Zusammenfassung

Das waren nur ein paar Punkte zu diesem Film - wenn man es genau nimmt, könnte man darüber seitenweise schreiben. Die Macher des Films hatten ja sogar eine gute Idee, die Möglichkeit zur Streifenbildung anhand der Wetterbedingungen zu verifizieren. Die Umsetzung scheiterte aber an mehreren Fakten:

  • Die Macher des Films leiden - wie die Chemtrail-Gläubigen insgesamt immer wieder - unter Überschätzung. Sie sind der Meinung, hochkomplexe Zusammenhänge einfach mal so beurteilen zu können, wozu Fachleute mehrere Jahre Ausbildung und/oder Erfahrung benötigen.
  • Bei der Wahl der Mittel wurde Material verwendet, das für Verifikationen gänzlich ungeeignet ist. Allein aufgrund dieser Tatsache ist der Film nicht mehr als nur eine Spielerei.
  • Aus der Überschätzung heraus wurden Sachverhalte ignoriert, die für Streifenbildung und -verhalten grundsätzliche Bedeutung haben.

Es stellt sich auch hier wieder die Frage, warum man nicht das Einfachste macht: 500 € sammeln, bei verschmiertem Himmel einen Wetterballon an den Himmel schicken, dort Proben nehmen und diese analysieren. So könnte man hieb- und stichfest nachweisen, dass in der Höhe etwas ist, was nicht hingehört. Statt dessen wurde aufwendig ein Film erstellt, der zwar diejenigen beeindruckt, die die Zusammenhänge am Himmel sowieso nicht verstehen, aber sonst völlig wertlos ist.

Und dann stellt sich natürlich auch die Frage: Warum lässt man beim Film keine Kommentare zu, so dass direkt beim Film gar nicht auf Fehler hingewiesen werden kann? Warum lässt man bei einem öffentlich vorgestellten Video keine Meinungen zu? Was möchte man vertuschen und wovon ablenken, wie es bei den Chemtrail-Märchen immer wieder der Fall ist?

Warum arbeitet man so an der Realität vorbei und täuscht die Leute?

Erforderliche Angaben

Wenn man es nun genau machen möchte - was müsste man dazu wissen? Hier ist mal eine Auflistung der Fakten, die sicher nicht vollständig ist:

  • Flug, Flugzeugtyp
  • Gewicht des Flugzeugs
  • Schub
  • Koordinaten des Streifens
  • Flughöhe
  • Luftfeuchtigkeit in der Umgebung1 des Streifens zu diesem Zeitpunkt2
  • Temperatur in der Umgebung1 des Streifens zu diesem Zeitpunkt2
  • Taupunkt/Eispunkt in der Umgebung1 des Streifens zu diesem Zeitpunkt2
  • Windrichtung, -stärke und -geschwindigkeit
  • Anteil von Aerosolen
  • usw.

1 nicht einen Kilometer weiter oder vorher, sondern genau an der Stelle
2 nicht eine halbe Stunde später oder früher, sondern genau

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